TALKING POINT auf IBI
ProdukthaftungIm Jahr 2002 lieferte eine US-Werft ein 40-Fuß-Motorboot an einen amerikanischen Käufer, das den US-Vorschriften voll entsprach. Der Kaufvertrag ist ein Standardvertrag, der keine Sonderregelungen oder Fristverlängerungen enthält.
Im Laufe der Zeit wurde das Boot in verschiedenen Klimazonen der USA eingesetzt, zur Wartung aus dem Wasser genommen, im Freien gelagert usw.
Im Jahr 2024 kommt es leider beim Betanken zu einer Explosion an Bord, bei der zwei Menschen ums Leben kommen und zwei weitere schwer verletzt werden. Die Yacht brennt daraufhin fast vollständig aus.
Der Eigentümer des Schiffes verklagt später die Werft vor einem amerikanischen Gericht auf einen dreistelligen Millionenbetrag! Das Gericht gibt der Klage statt. Der Eigner argumentiert, dass das Kraftstoffsystem einst falsch ausgelegt und installiert wurde und dies die Ursache für die Explosion war. Auf Nachfrage des Verteidigers kann er dem Gericht nicht nachweisen, dass sein Boot bzw. dessen Kraftstoffsystem jemals von Fachleuten gewartet worden ist.
Aufgrund des Zustands des Bootes kann auch ein Sachverständiger nicht mehr zweifelsfrei feststellen, was genau die Explosion verursacht hat.
Das US-Gericht entscheidet, dass der Hersteller nicht haftet, da es an Beweisen für eine ordnungsgemäße Wartung des Kraftstoffsystems mangelt. Die Möglichkeit einer Verjährung wird nicht weiter geprüft.
Dies wirft die Frage auf, was wahrscheinlich geschehen wäre, wenn dieser Fall im Rechtsraum der EU stattgefunden hätte.
In einem solchen Fall auf EU-Boden, in dem ein Hersteller nach 20 Jahren für einen angeblichen Konstruktions- oder Qualitätsmangel haftbar gemacht werden soll, stellen sich vor allem zwei Rechtsfragen: die Verjährung von Ansprüchen und die Haftungsgrundlage. In der EU gibt es Vorschriften zur Produkthaftung und zur Gewährleistung. Beide Konzepte beinhalten Verjährungsfristen, nach denen keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden können.
- EU-Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG: Diese Richtlinie regelt die Haftung der Hersteller für fehlerhafte Produkte - die Hersteller haften für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte verursacht werden, wenn ein Fehler nachgewiesen werden kann. Allerdings gibt es eine Verjährungsfrist. Ansprüche verjähren spätestens 10 Jahre, nachdem das Produkt in Verkehr gebracht wurde.
- EU-Garantierecht: Die übliche Gewährleistungsfrist in der EU beträgt zwei Jahre ab dem Datum der Lieferung der Ware. Es ist möglich, dass ein Hersteller für versteckte Mängel haftet, aber auch hier gibt es klare Verjährungsfristen - in der Regel 2 bis 3 Jahre ab dem Zeitpunkt der Entdeckung eines Mangels.
Im EU-Kontext wäre eine Klage 22 Jahre nach der Auslieferung des Bootes wahrscheinlich nicht erfolgreich. Weder die EU-Produkthaftungsrichtlinie noch die nationalen Gewährleistungsgesetze würden es zulassen, dass der Hersteller nach so langer Zeit für einen Konstruktions- oder Qualitätsmangel haftbar gemacht werden kann.
Der Wartungszustand des Bootes würde keine Rolle spielen.